* Gefällt Dir diese Homepage oder meinst Du es besser zu können? Erstelle deine eigene kostenlose Homepage jetzt! *


Mein Name ist Manuela, ich bin 1973 in Greifswald geboren und lebe seit 2002 in Schwaig bei Nürnberg. Als ich drei Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden. Sicher kommt das in den besten Familien vor. Doch für mich war dies der Bruch meiner Persönlichkeit.

Durch die damalige Rechtslage in der DDR, blieb ich bei meinem Vater, der ein Jahr nach der Scheidung eine neue Frau mit heim brachte. Schon kurze Zeit später machte sie ihren Standpunkt klar. Mein Vater zwang mich, sie mit ‚Mutti’ anzusprechen. Ich brachte dieses Wort nicht über meine Lippen und erst nach einer Ohrfeige stammelte ich dieses Wort zusammen. Nachdem die beiden geheiratet hatten und ihr erstes gemeinsames Kind geboren wurde, begann für mich ein Leben, vergleichbar mit dem von Aschenputtel. Die kleinsten Fehler wurden bestraft, es war nichts gut genug, psychische und körperliche Misshandlung standen auf der Tagesordnung und um daran nicht zu zerbrechen, baute ich eine Scheinwelt um mich herum auf. Viele Bücher halfen mir dabei, ich verschlang sie regelrecht, las manche Bücher zwei- und dreimal. Die Frau meines Vaters hatte zwar mein kleines Herz gebrochen, aber meinem Stolz konnte sie nichts anhaben. Die Schule war mein einziger Zufluchtsort, dort war ich vor ihr sicher. Man sollt meinen, daß Kinder die Ferien lieben, doch für mich waren sie das Schlimmste in meiner Schulzeit.


Mit meiner Freundin Angela verbrachte ich die meiste Zeit in der Schule


Als ich mit 14 Jahren wieder einmal verprügelt wurde, lief ich von zu Hause weg und nahm Kontakt zu meiner leiblichen Mutter auf. Mit Hilfe der Jugendhilfe konnte ich zu ihr ziehen. Leider konnte sie mit meiner Eigenart nicht umgehen, ich war schwer zu bändigen und bei der geringsten Anspannung ging ich in die Luft oder verkroch mich in meiner Scheinwelt. Meine Mutter wußte sich nicht anders zu helfen, als die Jugendhilfe einzuschalten und mich ins Kinderheim zu geben. Heute frage ich mich, warum es nicht schon eher dazu gekommen ist, denn ich genoß die nächsten Jahre im Kinderheim. Zum anderen tat mir der damit verbundene Schulwechsel gut. Während ich noch zu Hause war, fielen meine Zensuren kontinuierlich ab und aus einer guten Schülerin, wurde eine versetzungsgefährdete. Aber durch die, wenn auch kurze Zeit im Kinderheim schaffte ich es, meinen Zensurenspiegel um 180° Grad zu wenden. Auch hatte die verständnis-, liebevolle, strenge aber gerechte Art der Erzieher eine entscheidende Rolle dabei gespielt. Im Kinderheim fühlte ich mich wohl, dort konnte ich wieder leben.

Seit meinem 15. Lebensjahr schreibe ich Gedichte. In der Schule war ich Mitglied in der Gruppe für ,,Schreibende Schüler’’. Damals schon habe ich meine Gefühle und Erlebnisse in Verse und Geschichten verpackt. Zum anderen malte ich gern. Der Bleistift war mein bester Freund. Egal wo ich mich befand, er war immer an meiner Seite und so wie ich ihn führte, übertrug er meine Betrachtungen auf das Papier. Überall boten sich mir Motive, die ich abzeichnete, oder sie entstanden vor meinem geistigen. Auge. Auch das Geschick; mit Farben zu jonglieren, gehörte genauso zu meinen Hobbys, wie das Schreiben.

Nach meinem Realschulabschluß 1990, begann ich eine Lehre als Textilmaschinenführer in Zittau. 5 Monate hielt ich durch, war unglücklich mit meiner Berufswahl, denn es entsprach absolut nicht meinen Vorstellungen und Interessen. Ich brach die Ausbildung letztendlich ab. Meine Heimleiter versuchten danach, mich mit meinen künstlerischen Fähigkeiten in der Kunsthochschule in Rostock unterzubringen. Ich bekam im April 1991 auch ein Vorstellungsgespräch, in dem ich äußerte, kein Abitur zu haben. Doch das stellte kein Problem dar, denn das Kunststudium war abiturbegleitend.

2 Tage nach diesem Vorstellungsgespräch erkrankte ich dann urplötzlich. Über Nacht fiel ich ins Koma, aus dem ich nach 6 Wochen erwachte. Während dieser Zeit saß meine Heimleiterin Frau Lemmert, so oft sie konnte, an meinem Bett. Im Heim brauchten sie die anderen Kinder, zu Hause wartete ihr Mann und ihre eigenen Kinder auf sie und dazwischen nahm sie sich die Zeit für mich. Normalerweise ist das die Aufgabe einer Mutter, am Bett ihres Kindes zu wachen, so fern sie da war. Aber sie war nicht da für mich, nein, Frau Lemmert nahm ihre Position ein, eine Gestik, für die ich ihr immer dankbar sein werde. Als ich nun wieder zu mir kam und die Augen öffnete, sah ich sie zu erst, Frau Lemmert, deren Menschlichkeit, Zuneigung und Kinderliebe mich in der gesamten Kinderheim- und Komazeit tagtäglich begleiteten. Es hat mir viel bedeutet, sie als erste an meinem Bett gesehen zu haben, an dem sie Tag für Tag, während ich schlief, wachte. So etwas ist nicht selbstverständlich, weil Frau Lemmert, wie schon erwähnt, noch 30 weitere Kinder zu betreuen hatte. Sie ersetzte für mich die Mutter, die mir immer gefehlt hat.

Nach der Zeit im Koma war ich komplett gelähmt, Mein Bewegungsapparat, meine Atmung, das Reden und Essen, waren außer Kraft gesetzt. Die Diagnose lautete ,,Querschnittslähmung nach Chiarisyndrom mit Schädigung der Medulla Oblongata unterhalb C0''. Manch einer würde sagen, daß dies keinen Lebenswert mehr hat, doch für mich gab es keinen Grund aufzugeben. Im Gegenteil, ich bin dankbar dafür, daß die Ärzte mein Leben gerettet haben.

Während ich 40 Monate in verschiedenen Krankenhäusern lag, lernte ich wieder sprechen, essen, meinen Kopf und den rechten Arm zu bewegen. Es dauerte zwei Jahre, bis ich am Computer firm genug war, um zu schreiben. Die Art und Weise, mein Schicksal zu begreifen war, es in Worte zu Reimen zu fassen. Aus zahlreichen schlaflosern Nächten entstanden dann Gedichte, die das Ergebnis weit entfernter Gedanken waren, wofür tagsüber kein Platz und keine Zeit waren. Der Alltag gab eine Richtung vor, in der poetisches Geistesgut keine Chance hatte.

Im dunkel der Nacht konnten sich die Poesie dann ungestört entfalten und so formte ich Wort um Wort, Zeile um Zeile, Strophe um Strophe zu vielen Dichtungen zusammen.

Da ich aber trotz allem nicht selber atmen kann und auf eine Beatmungsmaschine angewiesen bin, wurde mir in Bad Wildungen 1992 ein, vom Prof. Thoma aus Wien entwickelter Zwerchfellschrittmacher implantiert. Das ist eine interne Beatmungsmaschine, die mit geringen Stromfrequenzen das Zwerchfell stimuliert. Dadurch kommt eine physiologische Atmung zustande, die den Verzicht auf sichtbare Beatmungsschläuche möglich macht. Für Außenstehende ist dieses System nicht sichtbar und gibt mir ein gewisses Stück Freiheit, Selbstständigkeit und Sicherheit. Zu der damaligen Zeit war dieser Schrittmacher etwas ganz seltenes und besonderes.

So ausgestattet, wurde ich in die Häuslichkeit entlassen. Zwei Jahre zahlte die Stadt Greifswald meine Pflege, weil niemand wusste, oder auf die Idee kam, die Krankenkasse um Hilfe zu bitten. Nach diesen zwei Jahren stellte Greifswald die Zahlung für meine Pflegekräfte ein und so blieb mir dann nur noch das Pflegeheim, indem ich dann sechs weitere Jahre wohnte.

Von dort aus nahm ich durch eine Freundin Kontakt zur einem Pflegedienst auf und zog binnen weniger Monate in meine eigene Wohnung nach Schwaig. Der Pflegedienst betreut unter anderen beatmeten, pflegebedürftigen Patienten und seit 6 Jahren auch mich. Da diese Art von Betreuung auf sehr viel Einfühlungsvermögen und großes Vertrauen aufgebaut ist, spielen eine gute Teamfähigkeit, sowie der Umgang mit konstruktiver Kritik eine entscheidende Rolle. Seit November 2005 habe ich ein Team, welches nach diesen Gesichtspunkten bereit ist zu arbeiten. Das ist nicht einfach und setzt eine Menge Überzeugung zu dieser Arbeit voraus. ''Es ist kein Beruf, sondern eine Berufung.''
Meine Pflegekräfte und ich unternehmen viel gemeinsam. Außerhalb ihrer Arbeitszeit gehen wir tanzen, auf Flohmärkte, ins Kino, feiern Geburtstag zusammen und vieles mehr. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn jede von ihnen hat eine eigene Familie daheim, die sie brauchen. Mein Team versucht mir die Zeit so abwechslungsreich, wie möglich zu machen, doch auch sie können nicht mehr, als ihr Bestes geben. Ich will damit nicht sagen, daß es mir schlecht geht, oder ich des Lebens überdrüssig bin, nein, mein Leben hat einen hohen Stellenwert für mich. Sicher ist das für einige Leute unverständlich, doch ich habe schon so viele Hürden genommen und bin so oft tief gefallen, aber immer wieder aufgestanden.

In letzter Zeit interessierte ich mich immer mehr für mein Krankheitsbild. Ich habe immer an der Diagnose der Ärzte gezweifelt. Laut Internetrechechen tritt das Chiarisyndrom ganz anders auf und auch der weitere Verlauf und die Symptome waren nicht identisch mit dem, wie es mir ergangen war und wie es mir heute nach 17 Jahren geht. Mit diesem Wissen nahm ich Kontakt auf mit einem Neurochirurg und Chiarispezialisten aus Ulm, um abklären zu lassen, was wirklich damals passiert ist. Als ich erstmals aus Bad Wildungen entlassen wurde, bekam ich ein Dia-MRT-Bild von meinem Schädel, mit den Worten, daß dieses Bild das einzige ist, was von den damaligen Untersuchungen noch existiert. Ich sollte es gut aufbewahren. Es hat mich nie gewundert, warum zwei Befunde samt MRT-Bildern von zwei verschiedenen Krankenhäusern verschwunden waren. Nach der Vorlage meines Dia-Bildes und einem CT mit Kontrastmittel in Ulm 07. 2007, war sich der Arzt zwar sicher, das ich am Chiarisyndrom erkrankt bin und man da eventuell operativ etwas machen könnte, aber er dies mit einer weiteren Untersuchung konkretisieren wolle. 11. 2007 erfolgte einer Myolographie mit nachfolgenden CT und dabei stellte sich dann heraus, dass meine Erkrankung nicht durch einen Chiari, sondern durch eine Zyste verursacht wurde. Das Dia-Bild allerdings zeigte eine Aufnahme aus einer Perspektive, bei der der erfahrenste Arzt sich fast sicher war, daß es sich um ein Chiarisyndrom handelt. Wenn ich eins und eins zusammen zähle überkommt mich das ungute Gefühl, daß da was nicht mit rechten Dingen zuging. Für mich ändert sich durch diese Erkenntnis allerdings nichts.

Mein Lebensmotto ist: ,,Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig ist''. Ich sitze im Rollstuhl, kann nicht laufen, meinen linken Arm nicht bewegen, aber ich kann Musik hören, kann lesen, mit meinen Team tanzen gehen, ins Kino gehen , kann basteln, malen und zeichnen, habe eine Katze, die mein Leben mit ihrer Persönlichkeit bereichert, sitze viel am Computer und nehme mein Schicksal so an, wie es ist. Es bringt mich nicht weiter, wenn ich mit meinem Schicksal hadere und mich nervlich runterziehen würde, denn keine Träne der Welt kann es ändern. Mit der Kraft, die ich habe, versuche ich, mein Leben so gut wie möglich zu meistern und das Beste daraus zu machen. Es ist mir sogar ein Bedürfnis, anderen Menschen, die den Sinn in ihrem Leben verloren haben, Mut zu machen und zu zeigen, daß das Leben auch in schwierigen Situation, wertvoll ist.

Vor drei Jahren begann ich mein altes Hobby wieder aufzugreifen. Durch meine Erkrankung ist die Feinmotorik in meiner rechten Hand eingeschränkt und somit sind mir gezielte Handbewegungen nur unter höchster Konzentration möglich. Das hinderte mich aber nicht daran, zu probieren, was ausführbar ist, um wieder zu malen. Ölbilder nach Bob Ross zu malen, brauchen keine feinmotorischen Fähigkeiten, sondern nur das Wissen über seine Technik. Wer Bob Ross kennt, der weiß, dass er seine Bilder in einer halben Stunde vollendet. Wenn man seinen Malstil verfolgt, glaubt man nicht, was für wundervolle Gemälde damit entstehen. Obwohl es zwar leicht aussieht, ist es sehr schwer. Aber das Ergebnis entschädigt mich für sämtliche Anstrengungen.

Trotz aller Stärke, habe ich aber auch etwas, was mich bedrückt. Ich bin mit meiner Grundsicherung vom Sozialamt abhängig. 1998 bekam ich die Chance, eine Berufsfindung in einem Berufsbildungswerk zu machen, nach der ich dann als nicht vermittelbar für den Arbeitsmarkt eingestuft wurde. Ich ließ mir ein Termin bei der Landesversicherungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern geben und stellte die für mich zuständigen Beamten zu Rede. Ich wollte wissen, warum ich keine Ausbildung bekam. Man sagte mir knallhart, daß ich schon einmal die Möglichkeit dazu hatte, diese aber nicht nutzte. Damit hatten sie zwar Recht, aber ich erwiderte, daß mir diese Ausbildung, hätte ich sie beendet, jetzt auch nichts mehr nützen würde. Ich bat um eine Lehrstelle, die in meiner jetzigen Situation für mich sinnvoll ist. Doch die Reaktion erschütterte mich. Man traute mir auf Grund meiner Behinderung keine Ausbildung zu. Und ich wagte es, ihnen zu unterstellen, mir lieber meine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente zu zahlen, als mich mit einer Ausbildung zu unterstützen. Sie bejahten dieses und meinten, daß es rausgeschmissenes Geld wäre, mich zu unterstützen, weil sie sich nicht sicher sein können, ob ich nach der Ausbildung einen Job bekommen würde. Daraufhin zog ich vor Gericht und bekam 2001 noch einmal die Chance, in demselben Berufsbildungswerk mein Können unter Beweis zu stellen. Aber die folgende Bewertung war noch erniedrigender, als die vorherige. Es war so deutlich, daß man einfach nicht wollte. Denn die anderen Rollstuhlfahrer, die mit mir zusammen die Berufsfindung machten, waren von der Behinderung her noch viel schlimmer dran, als ich, konnten nur den Kopf bewegen und waren von der Motorik bedeutend langsamer.

Aber so denken viele Einrichtungen. Ewig schon versuche ich Nebenjob’s zu bekommen, war schon auf dem Arbeitsamt und habe mich auch bei ILS-Institut für Lernsysteme erkundigt, was ein zertifiziertes 3-jähriges Fernstudium für Graphikdesign am PC kostet. Es war eine große Summe Geld. Um das finanzieren zu können, schrieb ich verschiedene Stiftungen an, um eine Spende zu erbitten. Doch die Antwort erschütterte mich. Ich wäre nicht förderungswürdig, es gäbe Rollstuhlfahrer, die schlimmer dran sind und dringender Hilfe benötigen. Ich weiß nicht, aber irgendwie ist das schon alles sehr suspekt.

Da ich glücklicherweise auf die Tafel gehen kann, muß ich nicht von der Hand in den Mund leben. Doch die ständig steigenden Lebensunterhaltskosten, die immer häufiger werdenden Zuzahlungen für notwendige Medikamente, sowie die Kürzungen durch die Sozialämter zwingen mich, eine Nebentätigkeit zu machen. Denn für Bekleidung reicht meine Grundsicherung nicht aus. Jedoch ist der Arbeitsmarkt spärlich besät mit seriösen Angeboten für einen kleinen Nebenverdienst, so daß es unmöglich ist, sich über Wasser zu halten.